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MOBILOTSIN-online: StVO-Novelle – Was Kommunen aus rechtlicher Perspektive wissen müssen!

Kalender 11.09.2024 | 10:00 bis 10:45 Uhr
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Bild zeigt eine Bronzeskulptur von Justitia, Göttin der Gerechtigkeit mit Waage in der rechten und Schwert in der linken Hand. Ihre Augen sind verbunden.
 

Die kommende Ausgabe von MOBILOTSIN-online widmet sich den jüngsten Änderungen der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Hintergrund ist die im Oktober 2023 von der Bundesregierung beschlossene und im Juli 2024 vom Bundesrat genehmigte Reform der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften.

Durch diese Änderungen haben Kommunen nun erweiterte Handlungsspielräume, etwa für die Einführung von Tempo 30, Bewohnerparken, Sonderfahrspuren sowie für die Schaffung von Flächen für den Rad- und Fußverkehr. Die Veranstaltung beleuchtet die rechtlichen Auswirkungen dieser Neuerungen.

Rechtsanwältin Sophia Weber von der Kanzlei Becker Büttner Held wird die Änderungen rechtlich einordnen und Ihre Fragen beantworten.

Nachfolgend finden Sie das FAQ, das von der Referentin beantwortet worden ist.

 

FAQ

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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Antworten und Einschätzungen der Referentin auf dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veranstaltung beruhen und von zukünftigen Entwicklungen bzw. Änderungen beeinflusst werden können.

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Bewohnerparken:

Welche Nachweise sind für die Einführung von Bewohnerparken nach der neuen StVO zu erbringen?

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held: Die Frage verdeutlicht ein aktuelles Problem: Die Vorgaben für Nachweise basieren normalerweise auf den Verwaltungsvorschriften der StVO, doch diese fehlen derzeit. Auch der Bundesrat sieht hier Handlungsbedarf, da es unklar ist, wie ein drohender Parkraummangel verifiziert werden soll. Ohne diese Vorgaben kann noch kein konkreter Nachweis erbracht werden. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass die Anforderungen nicht zu hoch angesetzt werden, um die neuen Regelungen der StVO nicht zu untergraben. Wie die Nachweise künftig aussehen werden, ist noch offen.

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Fahrradstraßen:

Gilt das auch (bezieht sich auf Folie 7 der Präsentation von Frau Weber) für die Ausweisung von Fahrradstraßen?

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held): Bei Fahrradstraßen gibt es nach der bisherigen Rechtslage verschiedene Vorgaben, insbesondere in Bezug auf § 45 Abs. 9 StVO, wonach Verkehrszeichen nur dort anzuordnen sind, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Gleichzeitig sind sie von dem Erfordernis der qualifizierten Gefahrenlage ausgenommen nach § 45 Abs. 9 Satz 4 StVO. Es gibt gute Gründe dafür, dass es sich bei Fahrradstraßen um "angemessene Flächen für den Radverkehr" nach der neuen StVO (§ 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7b StVO) handelt. Es kommt dabei auf die jeweilige Begründung an, aber grundsätzlich könnten Fahrradstraßen als angemessene Flächen auch für den Radverkehr verstanden werden.

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Fußgängerüberwege:

Gelten bei der Anordnung von Fußgängerüberwegen (FGÜ) immer noch die Querungszahlen nach der Richtlinie für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (RGÜ)?

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held: Die Frage dreht sich um die Auslegung eines Regelwerks, das mit der Neuerung der StVG nicht angepasst wurde. Es gelten auch weiterhin die Vorschriften der VwV-StVO, dass Fußgängerüberwege in der Regel nur dann angeordnet werden sollen, wenn es das Fußgängeraufkommen nötig macht, was wiederum in den RGÜ geregelt ist. Nach der neuen StVO ist bei der Anordnung von FGÜ keine qualifizierte Gefahrenlage mehr erforderlich, § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 10. Die Begründung zum StVO-Entwurf macht deutlich, dass durch diese Vereinfachung der straßenverkehrsbehördliche Handlungsspielraum erweitert werden soll, da bereits vor einer Risikoverdichtung zu besonderen Gefahrenlagen sichere Querungsmöglichkeiten geschaffen werden können.  Nach unserem Verständnis gibt es aufgrund der Anpassung der StVO gute Gründe, die RGÜ nicht zu restriktiv auszulegen. Es verbleibt aber bis zur Anpassung der VwV-StVO eine gewisse Unsicherheit für die Anwendung.

Bislang sind FGÜ in einer Tempo-30-Zone obsolet. Wie ist dies nach der Novelle rechtlich einzuschätzen?

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held: Die Vorgabe nach der RGÜ, wonach FGÜ in der Regel in Tempo-30-Zonen entbehrlich sind, bleibt weiterhin bestehen. Dennoch zeigt die StVO, dass sich FGÜ und Tempo 30 nicht ausschließen. Die neue StVO sieht bezogen auf FGÜ vor, dass die Anordnung von innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbegrenzungen von Tempo 30 (keine Tempo-30-Zonen) im unmittelbaren Bereich von Fußgängerüberwegen keiner qualifizierten Gefahr mehr bedürfen (§ 45 Abs. 1 Nr. 6 StVO). Die Begründung zur StVO macht darüber hinaus deutlich, dass die Anordnung von Tempo-30-Zonen bereits nach der alten Rechtslage im nachgeordneten Straßennetz möglich ist (§ 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 4, 5 StVO) und dort häufig FGÜ zu finden sind.

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Geschwindigkeitsbegrenzungen / Tempo 30:

Welche Möglichkeiten gibt es im Bereich der Geschwindigkeitsbegrenzungen? Stichwort Tempo 30!

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held: Die neue StVO erlaubt keine flächendeckende Anordnung von Tempo 30 aus den neuen Gründen des Umwelt-, Klima-, Gesundheitsschutzes oder zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung. Zwar hätte das StVG eine entsprechende Anpassung der StVO ermöglicht, die konkrete Umsetzung der Möglichkeit, Anordnungen auf die neuen Gründe zu stützen, betrifft jedoch hauptsächlich den Umweltverbund sowie Flächen für Fuß- und Radverkehr, nicht die Tempo-30-Regelungen. Der kommunale Handlungsspielraum bleibt daher auch durch die neuen Regelungen der StVO weiterhin begrenzt. Eine Neuerung ist die erleichterte Anordnung von Tempo 30 zwischen zwei Tempo-30-Strecken auf Streckenabschnitten von bis zu 500 Metern, ohne dass eine qualifizierte Gefahr nachgewiesen werden muss. Zudem wurde der Anwendungsbereich von Tempo 30 auf sensible Bereiche wie hochfrequentierte Schulwege, Spielplätze, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und Zebrastreifen erweitert.

Wie realistisch ist eine Anpassung in der VwV-StVO mit Blick auf Definition zu dem "hochfrequentierten" Schulweg?

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held:  Bei "hochfrequentierten Schulwegen" gibt es derzeit keine konkrete Definition, da die entsprechenden Verwaltungsvorschriften zur StVO noch fehlen. Daher ist eine Anpassung der Verwaltungsvorschriften zu erwarten. Es bleibt abzuwarten, wie diese Vorschriften ausgelegt und welche Nachweise für die Einstufung als "hochfrequentiert" verlangt werden.

Was wäre, wenn alle 400 m eine qualifizierte Gefahrensituation festgestellt wird? Ist ein Lückenschluss nur zwischen zwei 30er-Strecken möglich?

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held: Die StVO sieht keine Möglichkeit vor, flächendeckend Tempo 30 anzuordnen. Es gibt aber gute Gründe dafür, dass die Tempo-30-Regelung für kurze Streckenabschnitte bis zu 500 Meter nicht nur zwischen zwei Tempo-30-Strecken gilt, sondern auch für weitere einzelne Abschnitte bis zur nächsten Tempo-30-Strecke. Die Anordnung muss für jeden Abschnitt jeweils begründet werden, d.h. es muss eine qualifizierte Gefahr auf allen Streckenabschnitten außerhalb des Lückenschlusses nachgewiesen werden. Dies kann eine Hürde bei der Umsetzung sein.

Wer ist zuständig für die Anordnung der Tempo-30-Zonen?

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held: Die Zuständigkeit für die Anordnung von Tempo-30-Zonen liegt bei den Straßenverkehrsbehörden, die nach Landesrecht bestimmt werden. Diese Behörden entscheiden im Einvernehmen mit der Gemeinde über die Einrichtung solcher Zonen. Die rechtliche Grundlage bildet die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), genauer § 45 Abs. 1c, der Regelungen zur Anordnung von Tempo-30-Zonen enthält. Tempo-30-Zonen werden vor allem in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf eingerichtet, um den Verkehr zu verlangsamen und die Sicherheit zu erhöhen.

Macht es Sinn eine Änderung der VwV-StVO abzuwarten, bevor entsprechende Anordnungen erlassen werden?

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held: Es ist nicht zwingend erforderlich, auf die neuen Verwaltungsvorschriften zur StVO zu warten, um Maßnahmen zu ergreifen. Zwar erleichtern diese die Anwendung und bieten zusätzliche Rechtssicherheit, aber die aktuellen Bestimmungen des StVG und der StVO bieten bereits Handlungsspielraum. Es ist daher nach unserem Dafürhalten sinnvoll, diesen zu nutzen, auch wenn die Verwaltungsvorschriften noch ausstehen. In Einzelfällen kann aufgrund der noch bestehenden Unsicherheiten abgewogen werden, wie weit eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung gehen soll. Eine völlige Untätigkeit bis zum Erlass der Verwaltungsvorschriften zur StVO ist jedoch rechtlich nicht geboten.

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Allgemeines:

Wo steht eigentlich, dass sich Leichtigkeit des Verkehrs nur auf den Kfz-Verkehr und nicht auf den Fuß- und Radverkehr bezieht?

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held: Es gibt keine Vorschrift, die besagt, dass es bei der Leichtigkeit des Verkehrs nur um den Kfz-Verkehr geht. Die Leichtigkeit des Verkehrs, d.h. die Flüssigkeit des Verkehrs, gilt für alle Verkehrsteilnehmenden. Durch Berücksichtigung der Flüssigkeit des Verkehrs erfolgt faktisch eine Priorisierung des motorisierten Individualverkehrs. Wenn nämlich die Flüssigkeit des Verkehrs erhalten werden soll, erfolgt dies zu Lasten der Verkehrsteilnehmenden mit weniger Flächenbedarf, d.h. vor allem Fuß- und Radverkehr.

Bis wann ist mit den ergänzenden Verwaltungsvorschriften zu rechnen?

Rechtsanwältin Sophia Weber, Kanzlei Becker Büttner Held): Da wir uns im Herbst 2024 befinden, ist es wahrscheinlich, dass im ersten Quartal 2025 neue Entwicklungen oder Regelungen zu erwarten sind. Ob in diesem Jahr noch etwas passiert, ist sehr unwahrscheinlich. Es wird entscheidend sein, wie die neuen Anforderungen konkret ausgestaltet werden, wie hoch sie sein werden und welche Nachweise erforderlich sind. Es ist nach unserem Verständnis wichtig, dass diese Anforderungen nicht übermäßig belastend werden. Wie sich das genau entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

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MOBILOTSIN-online: StVO-Novelle – Was Kommunen aus rechtlicher Perspektive wissen müssen!

Hier finden Sie die Präsentation der Referentin zum Downloaden.