Newsletter | 13.07.2021 M

Editorial: Jetzt schon an die Schule denken!

Unser letzter Newsletter vor den großen Ferien - aber wir denken schon weiter: Ein ausführliches Interview zum Thema Unterrichtszeitstaffelung haben wir heute für Sie - die Idee hat neuen Aufschwung genommen. Einfach hier klicken.

Auf den ersten Blick nostalgisch - der Postbus. Aber auch hier gibt es eine Renaissance. Informationen finden Sie hier.

Ach, und dann sind wir nochmal beim Lernen: Es gibt noch einige Plätze für unseren neuen "Lehrgang Kommunales Mobilitätsmanagement". Lesen Sie hier mehr und lassen Sie sich vormerken.

Und jetzt haben wir uns wirklich alle ein Spaghettieis verdient. 

Wir sagen Danke fürs Lesen – und wenn Sie Fragen haben, melden Sie sich gerne bei uns. Ihr Team MOBILOTSIN

Angebot der MOBILOTSIN

Neuer Lehrgang Kommunales Mobilitätsmanagement

Rückenwind für die Mobilitätswende: 25 Teilnehmer*innen haben jetzt den ersten Lehrgang Kommunales Mobilitätsmanagement (KMM) der MOBILOTSIN absolviert. Wichtige Nachricht für alle Interessierten aus Kommunalverwaltungen: Im Oktober startet der nächste Lehrgang. 

Die Rückmeldungen der ersten Teilnehmer*innen sind eindeutig: „Viele haben uns gesagt, dass sie das Angebot ihren Kolleg*innen unbedingt weiterempfehlen werden“, sagt Hendrik Koch vom MOBILOTSIN-Team. Seine Kollegin Julia Pohlmann betont: „Der Austausch in der Gruppe kam besonders gut an, da wurde deutlich: Alle haben ähnliche Fragen und müssen diese nicht alleine klären. Der Lehrgang hilft also auch bei der Vernetzung mit Gleichgesinnten.“
Der Kurs vermittelt verkehrsfachliches Wissen, zeigt aber auch kommunikative Methoden, die für die tägliche Arbeit der Teilnehmer*innen mit Kolleg*innen und Bürger*innen ebenfalls von hoher Bedeutung sind. So liegt der Fokus neben Key Note-Vorträgen durch renommierte Expert*innen aus Forschung und Praxis insbesondere auch auf dem Austausch untereinander sowie der gemeinsamen Erarbeitung von Fragestellungen in Kleingruppen – das klappt sogar im virtuellen Raum einwandfrei.
Ziel ist es, die Teilnehmer*innen auf neue Herausforderungen im Mobilitätsbereich vorzubereiten. So besitzen die Teilnehmenden nach dem Lehrgang nicht nur ein aktuelles, breites Fachwissen, sondern können auch die richtigen Werkzeuge nutzen, um Maßnahmen vor Ort umzusetzen.

Der Lehrgang gliedert sich in drei Teile:

Modul I:              04.10. - 06.10.2021 (Hannover, Göttingen oder Oldenburg)
Modul II:             06.12. - 08.12.2021 (virtuell)
Modul III:            07.02. - 09.02.2022 (Hannover, Göttingen oder Oldenburg)

Kosten:

1990,- Euro inkl. MwSt.


Zielgruppe:

Der Lehrgang richtet sich hauptsächlich an Mitarbeiter*innen von Kommunen, Landkreisen und ÖPNV-Aufgabenträgern in Niedersachsen. 

Anmeldung:

Vormerkungen nehmen wir im Formular auf unserer Website entgegen. 

Pakete nach Fahrplan

Warentransporte im Bus stärken regionale Wirtschaft und ÖPNV

Warum Platz im Bus leer lassen? Güter können helfen, Fahrten besser auszulasten, sagt Anja Sylvester, Geschäftsführerin der LaLoG LandLogistik GmbH. Details hat sie bei unserem Lehrgang „Kommunales Mobilitätsmanagement“ erläutert.

Filterkaffee ist wieder hip. Vollbärte sind wieder hip. Kommt nun auch der Postbus zurück? „Es ist eine Retro-Idee“ sagt Anja Sylvester, „aber wir müssen uns Gedanken über die Finanzierung des ÖPNV im ländlichen Raum machen.“ Bis 1985 war die so genannte „Kraftpost“ in Betrieb, bei der Postgüter und Personen gemeinsam reisten. Bei Kommunen und Verkehrsunternehmen wirbt sie für die Wiederbelebung: „Wir haben überlegt: Wie lassen sich mit der vorhandenen Infrastruktur, Kapazitäten und Personal zusätzliche Einnahmen generieren? Da sind wir auf das System Postbus gekommen. Der Bus fährt sowieso – Güter sind ein zusätzlicher Deckungsbeitrag.“ In der brandenburgischen Uckermark bewährt sich die Idee bereits in der Praxis. Seit 2012 kann man hier per „kombiBUS“ Kleingüter im Linienverkehr versenden – ein Projekt, das Anja Sylvester damals noch unter dem Dach der Interlink GmbH umsetzte. Für die Nutzer*innen habe das System einen entscheidenden Vorteil, den die Liefer-Giganten nicht bieten können: „Der Bus ist die beste Logistik, die man sich vorstellen kann. Die Ware kommt täglich nach Fahrplan – wenn möglich sogar im Stundentakt. Darauf können sich Versender und Empfänger verlassen.“ Sylvester: „Das Angebot ist für viele Betriebe attraktiv: Etwa für Hotels, die das Gepäck von Fahrradtouristen transportieren wollen. Oder für den Dorfladen, der dann täglich frischen Salat anbieten kann.“

Gerade für kleine Betriebe auf dem Land fehle Logistik – deshalb müssten die Firmen oft mit eigenen Mitarbeitern und eigenen Fahrzeugen liefern. Sylvester: „Diese Mitarbeiter fahren dann zum Teil hunderte Kilometer und fehlen für wichtigere Aufgaben im Betrieb. Das ist wirtschaftlich unsinnig.“

Wie kommt die Ware in den Bus und zum Kunden? Die Betriebshöfe der Busunternehmen seien ideal, um dort Waren für den Transport anzunehmen, so Sylvester. Im Bus könnten sie in speziellen Netzen auf den Sitzen oder in Transportbehältern auf den Mehrzweckflächen befördert werden. Die Busunternehmen wüssten gut, welche Fahrten sich eignen, damit die Güter den Fahrgästen nicht im Weg sind. Organisiert werden müsse das Ausladen: „Der Busfahrer bringt das Paket nicht in den dritten Stock. Partner vor Ort können es in eine Packstation an der Haltestelle umladen – oder diese Partner bringen es gleich die letzten Meter zum Empfänger.“ Das lasse sich gut organisieren, da diese Helfer ja nicht ständig bereitstehen müssten, sondern nur zur üblichen Anlieferung. „Und dann geht es vielleicht auch mit dem Lastenrad weiter.“

Tatsächlich ist das neue alte Konzept dem historischen Postbus manchmal wieder sehr nah: „Es gibt Kooperationen mit lokalen Postanbietern. Da ist ein Briefkasten in der Bustür und der Fahrer verkauft auch Marken. Dauert nicht länger als bei der Fahrkarte.“ Sylvester betont, es gebe keine Mindestmenge, die erreicht werden müsse, um ein Projekt zu starten: „Das ist egal, der Bus ist ja da und fährt. Es braucht einen Partner, um anzufangen. Das Anfangen ist wichtig.“

Foto: kombiBUS

Nachgefragt

Unterrichtszeitstaffelung: "Dickes Brett - aber es lohnt sich"

Ein komplizierter Prozess bei der Einführung, aber das Ergebnis lohnt sich für alle Beteiligten: Stephan L. Kroll von „NahverkehrsBeratung Südwest“ wirbt für Unterrichtszeitstaffelung (Foto: Verkehrsgemeinschaft Osnabrück).

Herr Kroll, an „Schulzeitstaffelung“ haben Generationen von Verkehrsplanern gearbeitet - oft erfolglos. Sie sagen trotzdem, die Mühe würde sich lohnen. Warum?

Absolut. Klar, das sind natürlich „dicke Bretter, die es da zu bohren gilt“. Denn die planerische Herausforderung wird noch getoppt durch einen Kulturschock: „Universen“ treffen aufeinander. In einem Universum steht der Schulbetrieb, also die Pädagog*innen, die mit großer innerer Überzeugung das tun, was wir als Eltern erwarten. Im anderen Universum haben wir die ÖPNV-Welt und das gewachsene Bewusstsein für die Bedeutung des öffentlichen Nahverkehrs – und diese Universen verstehen sich nicht auf Anhieb.

Es geht schon beim Begriff los: Wer von Schulzeitenstaffelung spricht, löst eventuell schon das Missverständnis aus, dass es um die Zahl der Schuljahre gehen könnte. Uns geht es aber um Unterrichtszeitenstaffelung – und so sollten wir unser Vorhaben auch nennen.

Aber ja, der Aufwand lohnt sich: Denn die Staffelung der Unterrichtszeiten – das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen und Praxisbeispiele – bringt Vorteile. Zum Beispiel mehr Platz in den Bussen sowie zusätzliche und punktgenauere An- und Abfahrten. Und gerade jetzt in der Pandemie sehen wir, wie wichtig mehr Platz in den Fahrzeugen wäre.

Aber so eine Staffelung ist ja nicht in ein paar Tagen eingeführt. Für den Umgang mit der Pandemie dürfte das – hoffentlich – in vielen Fällen nicht mehr nötig sein.

Die Pandemie ist ein Anstoß, endlich wieder über das Thema nachzudenken! Und die Vorteile gibt es ja auch ohne Corona: Versetzte Anfangszeiten – auch innerhalb einer Schule, z.B. jahrgangsdifferenziert - entzerren Nachfragespitzen in den Fahrzeugen. Das heißt: Ich brauche nicht mehr eine große Anzahl Fahrzeuge zur selben Uhrzeit, sondern ich kann mit weniger Fahrzeugen über einen längeren Zeitraum arbeiten, der Personal- und Fahrzeugeinsatz wird also wirtschaftlicher. Die versetzten Unterrichtszeiten können dazu führen, dass man dem Biorhythmus älterer Schüler Rechnung tragen kann, wenn deren Unterricht später anfängt. Das kann auch langfristig eine positive Wirkung haben, da weniger volle Busse dazu beitragen, das Image des ÖPNV bei den Fahrgästen auch für die Zukunft zu verbessern.

Gibt es auch Vorteile für Lehrer*innen?

Ja, schwächer besetzte Fahrzeuge ergeben weniger gestresste Schüler*innen und damit eine Erleichterung für Lehrer*innen. Und noch höhere Akzeptanz bekommt man für sein Vorhaben, wenn man nicht nur mehr Platz in den Bussen schafft, sondern die Effizienzvorteile zurückgibt in zusätzlichen An- und Abfahrten zu den Schulen. Das eröffnet den Pädagog*innen neue Freiheitsgrade in der Unterrichtsplanerstellung! Ein echter Mehrwert im Schulalltag – neben allen strategischen Vorteilen.

Aber die Staffelung bedeutet doch, dass irgendwer früher los muss als bisher. Ist das nicht schlicht unattraktiv?

Die Anfangszeit kann sich nach vorne, aber auch nach hinten verschieben, aber: Weil durch die Staffelung mehr verschiedene Abfahrtszeiten angeboten werden, können Fahrgäste häufig einen Bus erwischen, der sie punktgenauer ans Ziel bringt. Sie müssen vielleicht früher los, haben aber weniger tote Zeit bis zum Schulbeginn, d.h. die Gesamtreisezeit von der Haustür bis zum Gong und wieder zurück sinkt.

Sie haben jetzt eine Menge Vorteile der Staffelung genannt. Warum wird es dann so selten gemacht?

Die Schulen und insbesondere engagierte Pädagog*innen verstehen sich als Bollwerke der Bildung, die es gewohnt sind, Neuerungen von außen mit einer „gesunden Skepsis“ zu begegnen. Und worin soll denn nun ein Vorteil liegen, wenn bisher das Schulzentrum punktgenau bedient wurde, manchmal sogar durch nichtöffentliche Schulbusse? Und dann will man die Kinder gar in einen Linienbus nötigen? Doch auch bei den Verkehrsunternehmen gibt es Vorbehalte: Wo Schülerverkehr im ÖPNV organisiert wird, orientieren sich die Planungen an der oberen Kapazitätsgrenze der Fahrzeuge. Andere Fahrgäste waren oft nur „Beifang“.

Dazu kommt, dass die Planung komplex ist und viele Beteiligte, vor allem Vertreter von Schulen und Eltern aller betroffenen Schulen, unter einen Hut gebracht werden müssen. Und dann ist es auch ein Stück weit „die richtige Ansprache und Wortwahl“, um die verschiedenen Akteure abzuholen. Oder anders: Unterrichtszeitenstaffelung läuft nicht nach Lehrbuch, sondern ist ein kommunikativer Prozess, in dem es eines Moderators bedarf, der Pädagogik unter Pädagogen betreibt, verbindlich und nicht konfliktscheu agiert und den Prozess treibt. Die Gefahr des Scheiterns ist allgegenwärtig bei den vielen zu klärenden Aspekten …

Was muss denn zum Beispiel geklärt werden?

Das hängt immer vom Einzelfall ab. Wichtig ist, dass man die Besonderheiten und Bedürfnisse jeder Schule kennt und berücksichtigt. So gibt es z.B. Fachlehrer, die an mehreren Schulen unterrichten, das muss natürlich weiterhin möglich sein. Oder man teilt sich eine Sporthalle mit dem Sportverein und kann dadurch am Nachmittag nicht beliebig später mit dem Sportunterricht aufhören. Geklärt werden muss vor allem im Primarbereich auch die Betreuung, wenn der Unterricht später beginnt oder früher endet als gewohnt. Immer wieder begegnen uns auch langjährige Wünsche der Schulen, die bisher immer mit dem Verweis auf den Fahrplan nicht umgesetzt werden konnten, und die sich mit der Unterrichtszeitenstaffelung dann realisieren lassen.

Wer bei dem Thema Staffelung erfolgreich sein will, muss sich in Demut üben. Und Erfahrungen sammeln und zulassen. Denn es gibt viele wichtige Themen, denen man zunächst nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenkt, die gleichwohl Deal-Breaker sind. Ich weiß aus tausenden Gesprächen: Hinter dem Mantra „die von Ihnen vorgeschlagene Unterrichtszeitenstaffelung ist bei uns aus pädagogischen Gründen nicht möglich“ verbirgt sich das Ungesagte, das es zu entdecken lohnt und dann in aller Stille zu lösen gilt.

Das hört sich aber wirklich nach einem Mammut-Projekt an.

Ja, Unterrichtszeitenstaffelung ist „ein dickes Brett“. Vielleicht wird es ja auch deswegen zwar als Thema erkannt, aber vor Ort bei begrenzten Ressourcen als zu komplex für eine erfolgreiche Umsetzung erachtet.

Es kann daher hilfreich sein, sich da einer neutralen Beratung von außen zu bedienen, um die Thematik sauber zu analysieren und Umsetzungsmöglichkeiten kennenzulernen. Auch könnte eine Unterstützung des jeweiligen Landes, vielleicht mit einem Zuschuss zur Beratung interessierter Akteure, es vor Ort erleichtern, das Thema mutig anzugehen.

Fragen wir andersherum: Was sind die Voraussetzungen vor Ort, damit die Staffelung funktionieren kann?

Auch wenn es banal klingen mag: „Man muss es wollen“. Ohne einen breiten politischen Konsens brauchen Sie nicht beginnen. Wenn jeder Schulleiter zu seinem Bürgermeister oder „seiner Partei“ rennt, der oder die dann auch noch „das offene Ohr“ gegenüber jedem Elternvertreter zeigt, dann hilft auch keine fachlich fundierte Moderation, dann ist der Prozess zum Scheitern verurteilt, bevor er begonnen hat. Wille zur Veränderung und Unterstützung des Prozesses muss glaubhaft und erkennbar sein. Bei allen Verantwortlichen für die Schülerbeförderung – vom Landrat bis zum Sachbearbeiter. Denn wenn die Entscheidung disponibel ist, dann verkommt der Planungs- und Moderationsprozess zur Farce.

Haben Sie einen Ratschlag, was hilft?

Schaffen Sie Öffentlichkeit, denn Transparenz schützt. Machen Sie das Vorhaben zur Chefsache in allen Handlungsfeldern in Politik, Verwaltung und Kultus und erlauben Sie sich und anderen durch Wandel weiterzukommen.

 

Stephan L. Kroll war Referent bei unser Veranstaltung „MOBILOTSIN-online: Schulzeitstaffelung - alter Hut mit neuer Brisanz“. Material zum Download gibt es hier