Newsletter | 08.12.2021 M

Editorial: So macht Staffeln Schule

„Non scholae, sed vitae vehimus!“ – „Nicht für die Schule, sondern für das Leben fahren wir!“ So hätten wohl schon die Busfahrer*innen im alten Rom ausgerufen, wenn man mit ihnen das Thema Schüler*innenbeförderung diskutiert hätte. Denn ein Busangebot nur nach Schüler*innenverkehr auszurichten, ist eine Verschwendung von Ressourcen – darin waren sich alle Referent*innen bei unserer Veranstaltung „MOBILOTSIN-online: Unterrichtszeitstaffelung im ÖPNV – wie gelingt der Start?“ einig.

Wir haben wichtige Punkte aus dem Web-Seminar ganz aktuell für Sie zusammengestellt. Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, die LNVG-Geschäftsführerin Susanne Haack formuliert hat: Unterrichtszeitstaffelung sei während der Pandemie wichtig, um für mehr Raum in den Fahrzeugen zu sorgen. Und in normalen Zeiten brauche es sowieso ein gutes Busangebot über den ganzen Tag verteilt. Haack: „Es geht nicht mehr darum, dass das Wissen fehlt, wie diese sinnvolle Staffelung umgesetzt werden kann. Es geht darum, vor Ort gemeinsam zu handeln.“

Handeln – Beispiele und Ansätze für die Mobilitätswende vermitteln wir in unserm Lehrgang „Kommunales Mobilitätsmanagement“. Jetzt sind Anmeldungen für den 3. Kurs möglich. Machen Sie mit – und erzählen Sie weiter vom aktuellen Angebot!

Wir sagen Danke fürs Lesen – und wünschen eine schöne Weihnachtszeit. Ihr Team MOBILOTSIN

 

Foto: Verkehrsgemeinschaft Osnabrück (VOS)

Tipps von Praktiker*innen

Staffelung: Kommunikation entscheidend für Erfolg

Zwei Beispiele für gelungene Unterrichtszeitstaffelung liefern die Landkreise Rendsburg-Eckernförde und Leipzig. Fazit: Auch Details müssen vorausgedacht werden und Kommunikation ist entscheidend für den Erfolg.

Was gehört zu den Voraussetzungen von Unterrichtszeitstaffelung? „Es braucht Mut!“, sagt Martina Stenker, Sachbearbeiterin ÖPNV im Landratsamt des Landkreises Leipzig. Am Wichtigsten sei, mit allen Beteiligten immer wieder zu sprechen – und auf die Vorteile hinzuweisen, etwa besser ausgelastete Fahrzeuge oder ein ausgeweitetes Angebot für alle Kund*innen: „Schulen und der Busverkehr können gewinnen, wenn die Beförderung der Schüler*innen in das Netz integriert werden kann.“

Der Landkreis hat 2017 einen angebotsorientierten öffentlichen Personennahverkehr in der Region Muldental umgesetzt. Im Planungsbereich liegen 34 Schulen, 4500 Schüler*innen nutzen Busse. Bevor der neue Fahrplan in Kraft trat, sei neun Monate lang mit allen Beteiligten über alle Details gesprochen worden. Es gehe eben nicht nur um Fahrpläne. Familien müssten ihren Tagesablauf umstellen. Dienstpläne von Schulhausmeister*innen und Sekretariaten müssten umgestellt werden. Auch die Trainingszeiten von Sportvereinen und die Belegung von Hallen muss man berücksichtigen. Stenker: „Wir haben das Angebot zu bilateralen Gesprächen gemacht, um mit Schulen individuelle Punkte zu klären.“ Und diese Kommunikation dürfe nicht aufhören. Es gebe weiterhin Kontakt mit den Schulen und ein Beschwerdemanagement bei den Verkehrsunternehmen.

Die Umstellung, zu der auch ein Integraler Taktfahrplan gehört, habe sich bewährt. Das sei auch in Pandemie-Zeiten deutlich geworden, so Stenker: „Durch die vertakteten Linien konnten die Nutzer*innen auch bei dieser schwierigen Situation das stabile ÖPNV Angebot nutzen.“

Anfang 2021 hat der Kreis Rendsburg-Eckernförde seinen Busverkehr umgestellt. Mit der Einführung eines Integralen Taktfahrplans wurde das Angebot um 45 Prozent aufgestockt, der Schülerverkehr dabei weitgehend integriert, beschreibt Tonya Klatt vom Kreis Rendsburg-Eckernförde. Damit jede Linie im Netz nicht für sich allein fährt, sondern eine maximale Zahl von Anschlüssen entsteht, verfügt das Regionalbusnetz über eine Vielzahl von Knoten, sodass Verbindungen zwischen weit entfernten Ortschaften in jede Richtung möglich sind. Das Ziel bringt Klatt so auf den Punkt: „Attraktiver ÖPNV für jeden.“

Es sei herausfordernd gewesen zu erreichen, dass im Schülerverkehr lange eingeübte Gewohnheiten aufgegeben werden, so Klatt. Schon in den ersten Betriebstagen habe sich gezeigt, dass wichtig sei, die Folgen der Umstellung vorab möglichst umfassend und konkret durchzudenken. Das betont Klatt vor allem mit Blick auf Grundschüler: „Wichtig ist, sich einen Plan für besondere Fälle zurecht zu legen.“ Es müsse zum Beispiel geregelt sein, was passiert, wenn ein Bus, in dem üblicherweise viele Grundschüler seien, nicht die übliche Strecke fahren könne und die Kinder nicht zu ihrer üblichen Haltestelle kommen. Derzeit sei die Vorgabe, dass die Kinder dann mit zur Endhaltestelle fahren, um dort abgeholt werden zu können. Die Leitstelle wird darüber informiert, sodass die Eltern die Informationen direkt vom Verkehrsunternehmen erhalten können. Darüber hinaus wird derzeit ein Verfahren etabliert, mit welchem das Verkehrsunternehmen im Falle eines verpassten Anschlusses Taxigutscheine an Schulkinder ausgibt, sodass diesen eine Weiterfahrt ermöglicht wird.  

Die Präsentationen zum Webseminar finden Sie hier!

 

Das sagen Berater*innen

Ohne Wohlwollen der Busfahrer*innen geht es nicht

Alle Vorbereitungen für Unterrichtszeitstaffelungen sind sinnlos, wenn die Busfahrer*innen nicht überzeugt mitmachen. Und: Kritik nach der Einführung muss ernst genommen, aber ausgehalten werden – so lautet der Rat zweier Expert*innen.

Fahrpläne berechnen, Umläufe planen – mit der Einführung von Taktfahrplänen und Unterrichtszeitstaffelung kommt auf die beteiligten Verkehrsunternehmen einiges an Arbeit zu. Entscheidend für den Erfolg seien aber die Menschen am Steuer der Busse, betont Christoph Marquardt, Inhaber von „MOBILE Zeiten – Verkehrsplanung- und Beratung“. Marquardt: „Busfahrer*innen müssen möglichst von Beginn an beteiligt werden und sollten Informationen über die Maßnahmen nicht aus der Presse bekommen.“ Schon vor dem Start eines neuen Fahrplans würden sich Kunden beim Fahrpersonal über die Änderungen erkundigen: „Dann ist es wichtig, dass die Fahrer eine positive Auskunft geben können.“

Kommunikation sei das entscheidende Thema, damit die Änderungen gelingen. Nach den Fahrer*innen zählt Marquardt auf: Presse, Verwaltung, Politik, Verkehrsunternehmen, Schulen, Schüler*innen, Eltern, Lehrer*innen und Schulleitungen. Allen gegenüber müssten die Vorteile der Staffelung betont werden. „Bieten Sie keine Probleme, sondern Lösungen!“ Durch die Umstellung zum Integrierten Taktfahrplan werde sich das Verkehrsangebot deutlich verbessern, davon würden alle Nutzer*innen profitieren.

Auf Dauer sei wichtig, dass das neue System konsequent durchgehalten werde. Pünktlichkeit und Anschlusssicherung seien entscheidend. Es sei klar, dass eine solche Umstellung nicht ohne Kritik – auch in den Sozialen Medien – verlaufen werde. Die müsse ernst genommen werden, wenn auf tatsächliche Probleme hingewiesen werde, sonst gelte: „Man muss Kritik annehmen, aber standhaft sein.“

Constantin Pitzen von der Fahrplangesellschaft B&B mbH ging das Thema grundsätzlich an. Titel seines Referats: „Zwischen integralem Taktfahrplan (ITF) und Schülerbeförderung – die Herangehensweise aus planerischer Sicht von der Grobplanung bis zur Umsetzung“. Aus Pitzens Sicht gebe es keine Alternative mehr zu Taktfahrplänen: „Schlechte Anschlüsse sorgen dafür, dass zwar Busse fahren, man aber nicht an sein Ziel kommt.“ Noch immer gebe es in Deutschland „extreme Qualitätsunterschiede“ bei den Fahrplänen.

Heute sei klar, dass ein Schüler*innenverkehr, der unabhängig vom Linienverkehr gedacht werde, nicht mehr finanzierbar sei. Gerade im ländlichen Raum gehe es durch eine Umstellung darum, den „öffentlichen Verkehr für alle nutzbar zu machen“. Dabei ergebe sich dann auch ein effizienterer Fahrzeugeinsatz.

Für die Umstellung brauche es Mut von der Politik – und die müsse mit guten Argumenten für die Vorteile eines Taktfahrplans und Unterrichtszeit-Staffelung versorgt werden: Effizienterer Fahrzeugeinsatz, ausgeweitetes Fahrplanangebot – und damit auch ein Punkt, der bei Eltern ziehen dürfte: „Es werden deutlich weniger Eltern-Taxis gebraucht werden.“

Die Präsentationen zum Webseminar finden Sie hier!

Angebot der MOBILOTSIN

Neuer Lehrgang Kommunales Mobilitätsmanagement

Neue Chance für neue Mobilität vor Ort: Unser 3. Lehrgang Kommunales Mobilitätsmanagement startet. Machen Sie mit!

Der Kurs vermittelt verkehrsfachliches Wissen, zeigt aber auch kommunikative Methoden, die für die tägliche Arbeit der Teilnehmer*innen mit Kolleg*innen und Bürger*innen ebenfalls von hoher Bedeutung sind. So liegt der Fokus neben fachlichen Vorträgen durch renommierte Expert*innen aus Forschung und Praxis insbesondere auch auf dem Austausch untereinander sowie der gemeinsamen Erarbeitung von Fragestellungen in Kleingruppen – das klappt auch im virtuellen Raum einwandfrei.

Ziel ist es, die Teilnehmer*innen auf neue Herausforderungen im Mobilitätsbereich vorzubereiten. So besitzen die Teilnehmenden nach dem Lehrgang nicht nur ein aktuelles, breites Fachwissen, sondern können auch die richtigen Werkzeuge nutzen, um Maßnahmen vor Ort umzusetzen.

Der Lehrgang gliedert sich in drei Teile:

Modul I:              07.03. – 09.03.2022 (virtuell)

Modul II:             02.05. – 04.05.2022 (virtuell)

Modul III:           13.06. – 15.06.2022 (tbd (Göttingen oder Hannover)

Kosten:

-    Für Mitarbeiter*innen aus niedersächsischen Kommunen/Institutionen 1.990,- EUR (inkl. Mwst)
-    Für Mitarbeiter*innen von Kommunen/Institutionen außerhalb von Niedersachsen 2.190,- EUR (inkl. Mwst).

Zielgruppe:

Der Lehrgang richtet sich hauptsächlich an Mitarbeiter*innen von Kommunen, Landkreisen und ÖPNV-Aufgabenträgern in Niedersachsen.

Anmeldung:

Sie können sich hier direkt auf unserer Website registrieren.